Fritz Kühn - Wer war denn das?

Der Platz an der Bauernkirche trägt den Namen Fritz-Kühn-Platz. Da fragt man sich doch, wer Fritz Kühn eigentlich war. Auf dem Straßenschild findet man den Zusatz „Ehrenbürger“ sowie „Lehrer und Autor“. Doch weder hier noch im Stadtmuseum, vor dem seine Büste steht, findet man einen Hinweis auf seine politische Vergangenheit. Wer war der Mann, der 1933 mit seinem Übertritt zur NSDAP-Fraktion den Nazis die Mehrheit im Iserlohner Stadtrat ermöglichte?

Fritz Kühn (geb. 11.10.1883) war Frontkämpfer im 1. Weltkrieg, aus dem er als Leutnant und Kompaniechef zurückkehrte. Er überlebte die Schlacht um Verdun und wurde als „Erstürmer“ des Forts Malmaison mit dem Eisernen Kreuz erster Klasse ausgezeichnet.

Nach dem Krieg trat er dem para-militärischen Frontkämpferbund „Stahlhelm“ bei, deren erklärtes Ziel die Auflösung der Weimarer Republik war. Für die deutsch-nationale „Kampffront Schwarz-weiss-rot“ zog er in den Iserlohner Rat ein. Nach seinem Übertritt zur NSDAP im Jahr 1933 vertrat er diese im Stadtrat bis 1945.

Der als Lehrer tätige Kühn wurde 1939 zum Rektor der Volks- und Mittelschule an der Mendener Straße befördert. In diesem Jahr erschien auch seine Geschichtensammlung „Niemand hat größere Liebe“, in dem er penetrant den Opfertod schönredet.[1] Seine ungebrochene Kriegsbegeisterung spricht auch aus dem „Reiterlied“ von 1939: „Die blanken Schwerter blinken, Die lust’gen Reiter winken der hübschen jungen Maid. Mit Waffen und mit Wettern tun wir den Feind zerschmettern. Das Blut das ist so rot.“

Bis 1945 veröffentlichte Kühn kriegsverherrlichende Schriften, nach dem Krieg finden sich hingegen viele harmlose Texte. Interessant sind seine Beiträge für den Iserlohner Kreisanzeiger, bringt Kühn alias „Fritzchen Fröhlich“ doch erstmals eine kritische Haltung zum Militär zu Papier - er kritisiert allerdings ausschließlich die in Iserlohn stationierten britischen Truppen. Eine Auseinandersetzung mit dem Vernichtungskrieg der deutschen Wehrmacht oder der Naziherrschaft in Iserlohn, die Kühn vor Ort mitrepräsentierte, sucht man vergeblich.

In Kühns bekanntestem Buch „Liebes altes Iserlohn“ (1956/1967) lässt der ehemalige NSDAP-Ratsherr die Zeit des Nationalsozialismus einfach weg.[2] Er beschreibt zwar sämtliche Kirchen Iserlohns, eine Erwähnung der in der Pogromnacht zerstörten Synagoge hingegen unterbleibt. Auch wird „Unser Friedhof“ erwähnt, der bis heute existierende jüdische Friedhof Iserlohns ist Fritz Kühn jedoch keine Zeile wert, ebenso wenig wie die alte jüdische Schule. Nur konsequent erscheint in diesen Zusammenhang die Aussage Kühns im Vorwort, dem Geschichtswerk Wilhelm Schultes aus dem Jahre 1937 sei auch 30 Jahre später „nichts an die Seite zu stellen“.

Bis zu seinem Tod 1968 schwieg Fritz Kühn über sein Wirken und seine Mitverantwortung in der Nazizeit Iserlohns. Stattdessen bescheinigte er noch 1963 dem ehemaligen Nazi-Bürgermeister Damrau „glänzende Führung“ und schwärmte vom „neuen Geist“ der 30er Jahre. [3]

Dem FriedensPlenum geht es nicht darum, die komplette Person Fritz Kühns zu be- oder verurteilen. Uns geht es um die politische Person Fritz Kühn. Wir bestreiten nicht, dass ihn manche auch als netten Menschen in Erinnerung haben mögen. Wenn jemanden aber Vorbildcharakter („Maßstab der Bürgerlichkeit“[4]) zugeschrieben wird, wie durch die Verleihung der Ehrenbürgerschaft durch den Stadtrat 1956, dann muss dieses hinterfragt werden. Wir kommen dabei zu dem Schluss, dass Kühns politisches Handeln weder beispielhaft noch nachahmenswert ist. Die Gegnerschaft zum demokratischen System der Weimarer Republik, die Rechtfertigung des Beginns des 2. Weltkriegs, die Verherrlichung des Opfertods von Frontsoldaten, die Teilhabe am NS-System im Rat der Stadt für die NSDAP, das Schweigen nach dem Krieg über das Schicksal der jüdischen Iserlohner und über die eigene Rolle während der Naziherrschaft - daran ist nichts vorbildlich.

Deshalb fordern wir:

- Es soll eine historisch-kritische Aufarbeitung des Lebens und Wirkens Fritz Kühns stattfinden.

- Die Büste soll vom Sockel vor dem Museum in das Museum und mit einer historischen Ausstellung kommentiert werden.

- Der Fritz-Kühn-Platz soll in Friedensplatz umbenannt werden.

FriedensPlenum Iserlohn
c/o: JuZ Karnacksweg 44 58636 Iserlohn www.friedensfestival.de


[1] Kühn, Fritz: Niemand hat größere Liebe, Meschede 1939, S. 57-64 „Der neue Tag“

[2] Kühn, Fritz: Liebes altes Iserlohn, Dortmund 1956/Iserlohn 1967, (Ausleihbar in der Stadtbücherei, Präsenzbestand auch in der Kinderbücherei)

[3] Kühn, Fritz: 1763-1963 Haus der Heimat. 200 Jahre Iserlohner Stadtgeschichte, Iserlohn, o.J., S. 15 (Ausleihbar in der Stadtbücherei)

[4] Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung, 23.06.1956