Wahlprüfsteine

Bundestagswahl 2013 - KandidatInnencheck

Wir haben für die lokalen Direktkandidatinnen und -kandidaten zur diesjährigen Bundestagswahl Wahlprüfsteine formuliert, um ihre Meinung zu uns wichtigen Themen zu erfahren. Neben dem Schwerpunkt (Ab-)Rüstung (Fragen 1-9) interessierten uns dabei auch ihre Antworten zur Flüchtlingspolitik (Fragen 10-12) und zur Energie- und Wirtschaftspolitik (Fragen 13-17). Für die zügige Beantwortung möchten wir uns an dieser Stelle bedanken. Eine Antwort von Frau Voßbeck-Kayser (CDU) hat uns bisher nicht erreicht. Die uns vorliegenden Stellungnahmen veröffentlichen wir auf dieser Seite in genauem Wortlaut.

Noch ein Hinweis vorab: Die Wahlprüfsteine des FriedensPlenums dienen nicht dazu, bestimmte Parteien zu bevorteilen oder zu benachteiligen. Jeder soll sich selbst ein Bild machen und selbst entscheiden, ob bzw. wen er wählt.

Wahlprüfsteine des FriedensPlenums Iserlohn an die BundestagskandidatInnen im WK 150

Übersicht:
1. Grundsätzliches Rüstungsexportverbot in das Grundgesetz
2. Keine Rüstungsexporte an menschenrechtsverletzende Staaten
3. Transparenz beim Waffenhandel
4. Keine Absicherung von Rüstungsexporten durch Hermes-Bürgschaften
5. Exportverbot auch für Kleinwaffen
6. Keine Lizenzvergaben zum Nachbau deutscher Kriegswaffen
7. Keine tödlichen Drohnen
8. Verzicht auf die "nukleare Teilhabe"
9. Ausbau der zivilen Konfliktbearbeitung
10. Europäische Solidarität beim Schutz von Flüchtlingen
11. Hilfe für Vertriebene in und um Syrien
12. Aufnahme und medizinische Versorgung von Flüchtlingen aus Syrien
13. Atomausstieg beschleunigen - regenerative Energien ausbauen
14. Keine Absicherung von Atomtechnikexporten durch Hermes-Bürgschaften
15. Mindestlohn einführen
16. Hier tätige Firmen sollen hier auch Steuern zahlen
17. Gewinnmaximierung und ungezügeltes Wachstum


1. Grundsätzliches Rüstungsexportverbot in das Grundgesetz

Angesichts unzureichender rechtlicher Rahmenbedingungen und fehlendem politischen Willen konnte Deutschland zum drittgrößten Waffenexporteur der Welt aufsteigen. Kaum ein Krieg, in dem nicht deutsche Waffen - vielfach beiderseits der Front - zum Einsatz kommen.

Frage: Setzen Sie sich dafür ein, dass der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern grundsätzlich verboten und dieses Verbot in Artikel 26 Absatz 2 des Grundgesetzes und/oder in einem Rüstungsexportgesetz festgeschrieben wird?

Dagmar Freitag, SPD:
- (siehe Antworten zu den Fragen 2 - 4)

Manuel Huff, Linke:
Ja. Ich würde mich im Falle der Wahl für eine Aufnahme des Exportverbotes in das Grundgesetz stark machen. Das Geschäft mit dem Tod darf nicht weiter ein Geschäftsmodell der Bundesrepublik Deutschland sein.

Elke Olbrich-Tripp, Grüne:
Der Grundsatz „Frieden schaffen ohne Waffen“ steht für mich persönlich an vorderster Stelle. Daher werde ich mich auch für eine Änderung des Rüstungsexportgesetzes einsetzen.

Michael Schulte, FDP:
Nein. Deutschland ist ein verlässlicher Partner im Rahmen der NATO und der Europäischen Union, der eng und vertrauensvoll mit den anderen Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Dies gilt auch für den Bereich der Rüstungskooperation einschließlich Rüstungsexporten. Ferner sind einige gefestigte Demokratien, mit denen Deutschland eng verbunden ist, den NATO- und EU-Staaten gleichgestellt. Dazu zählen Australien, Neuseeland, Japan und die Schweiz. In Bezug auf Exporte in darüber hinausgehende Drittstaaten verfolgt Deutschland eine restriktive Exportpolitik. Genehmigungen werden nur erteilt, wenn im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen. Vor diesem Hintergrund würde ein generelles Verbot von Rüstungsexporten die Handlungsfähigkeit Deutschlands als verlässlichem Partner beschädigen.

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Den Politikern, die kein grundsätzliches Rüstungsexportverbot befürworten, haben wir weitere Fragen gestellt. Wie Dagmar Freitag und Michael Schulte die Ausfuhr von Waffen regeln wollen, beantworten sie unter 2 - 4:

2. Keine Rüstungsexporte an menschenrechtsverletzende Staaten

In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Empfängerländer deutscher Kriegswaffen und Rüstungsgüter schwere Menschenrechtsverletzungen verübt.

Frage: Setzen Sie sich für ein rechtsverbindliches Verbot des Exportes von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern ein, wenn (wie z. B. in Saudi-Arabien) der hinreichende Verdacht besteht, dass diese bei bewaffneten Auseinandersetzungen, zur Unterdrückung der Bevölkerung oder zu fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden könnten?

Dagmar Freitag, SPD:
Wir wollen zurück zu den restriktiven Exportrichtlinien der rot-grünen Regierungszeit. Rüstungsexporte in Krisengebiete und in Länder, in denen die Menschenrechte massiv missachtet und verletzt werden, lehnen wir ab. Die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ legen eindeutig fest, dass die innere Lage des Empfängerlandes, die Menschenrechtssituation, der Respekt internationaler Konventionen und mögliche Konsequenzen für die regionale Sicherheit bei den Rüstungsexportentscheidungen berücksichtigt werden müssen. Deswegen lehnen wir die von Schwarz-Gelb beabsichtigte Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 nach Saudi-Arabien und andere Staaten der arabischen Halbinsel ab.

Michael Schulte, FDP:
Auch unter liberaler Beteiligung hält sich die Bundesregierung strikt an die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern.“ Diese legen unter anderem in Bezug auf Drittländer folgendes fest „Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern wird nicht genehmigt in Länder,
- die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht,
- in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden."
Ferner spielt die Menschenrechtssituation im Empfängerstaat eine wichtige Rolle bei der Abwägung von möglichen Exportentscheidungen. Auf Einzelstaaten kann hier nicht eingegangen werden, da der Bundessicherheitsrat über Rüstungsexporte in vertraulicher Sitzung entscheidet.
Unter liberale Beteiligung gilt, dass sich die Bundesregierung an die restriktive Rüstungsexportpolitik gemäß der Politischen Grundsätze hält.

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3. Transparenz beim Waffenhandel

Rüstungsexportgeschäfte sind höchst undurchsichtig: Brisante Exportgenehmigungen werden in geheimer Sitzung des Bundessicherheitsrates (KanzlerIn und acht MinisterInnen) mit Mehrheit entschieden, unzureichende Rüstungsexportberichte erst Ende des Folgejahres publiziert.

Frage: Setzen Sie sich für eine zeitnahe Informationspflicht der Abgeordneten, namentliche Abstimmungen und für ein Vetorecht des Deutschen Bundestages sowie für transparente Rüstungsexportberichte ein, die - wie in England - quartalsweise veröffentlicht werden?

Dagmar Freitag, SPD:
Im Bereich der Rüstungsexporte liegt die Verantwortung der Genehmigungspraxis allein bei der Bundesregierung. Die Kontrollfunktion des Deutschen Bundestages muss jedoch gegenüber der jetzigen Praxis deutlich effektiver gestaltet und gestärkt werden. Dies ist in vielen anderen Ländern, auch NATO-Mitgliedstaaten, längst üblich. Wir fordern deshalb, den Rüstungsexportbericht der Bundesregierung spätestens drei Monate nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres zu veröffentlichen und ein gestuftes angemessenes, zeitnahes und praktikables Verfahren zur parlamentarischen Beteiligung an Rüstungsexportentscheidungen zu entwickeln. Die Letztentscheidung und Verantwortung für Rüstungsexporte bleiben bei der Bundesregierung; dem Parlament müssen jedoch umfassende Informations- und Beteiligungsrechte eingeräumt werden.

Michael Schulte, FDP:
1. Wir wollen im Deutschen Bundestags ein vertraulich tagendes Gremium einrichten, in dem die Bundesregierung über laufende Entscheidungsverfahren von besonderer Bedeutung das Parlament unterrichtet. Vorbild wäre das Parlamentarische Kontrollgremium zur Kontrolle der Geheimdienste. Auch wenn die Entscheidungskompetenz über Rüstungsexporte gemäß der verfassungsrechtlichen Trennung zwischen Exekutive und Legislative weiterhin bei der Bundesregierung verbleiben muss, kann der Deutsche Bundestag im Rahmen eines derartigen neu zu schaffenden Gremiums seine Einschätzungen über anstehende Exportentscheidungen der Bundesregierung beratend zu Kenntnis bringen.
2. Wir wollen, dass die Berichte der Bundesregierung über abgeschlossene Exportentscheidungen zeitnäher dem Parlament und der Öffentlichkeit zugeleitet werden. Die bisherige jährliche Berichtspraxis soll von einer halb- oder vierteljährlichen Berichtspraxis abgelöst werden.

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4. Keine Absicherung von Rüstungsexporten durch Hermes-Bürgschaften

Mit Hermes-Bürgschaften sichert der Staat Rüstungsexportgeschäfte in Milliardenhöhe auf Risiko der SteuerzahlerInnen ab.

Frage: Werden Setzen Sie sich im Fall Ihrer Wahl für die Forderung nach einem Verbot von Hermes-Bürgschaften beim Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern einsetzen?

Dagmar Freitag, SPD:
Die Frage der Genehmigung von Rüstungsexporten muss anhand der in den Rüstungsexportrichtlinien festgelegten Kriterien politisch entschieden und verantwortet werden. Die Genehmigung oder Ablehnung von Hermesbürgschaften stellen kein geeignetes Steuerungsinstrument zur Regulierung von Rüstungsexporten dar.

Michael Schulte, FDP:
Nein. Laut der „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern.“dürfen beschäftigungspolitische Gründe keine ausschlaggebende Rolle für Exportentscheidungen spielen. Von der grundsätzlichen Exportentscheidung ist die nachgelagerte Entscheidung über die Vergabe von Hermesbürgschaften strikt zu trennen. Bei positiv beschiedenen Exportentscheidungen ist danach im Einzelfall auf Antrag zu entscheiden, ob im Interesse der deutschen Wirtschaft die Vergabe einer Hermes-Bürgschaft sinnvoll ist. Die eigentliche Exportentscheidung ist also losgelöst von einer Entscheidung über eine etwaige Hermesbürgschaft zu betrachten.

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5. Exportverbot auch für Kleinwaffen

Dramatisch hoch sind die Opferzahlen durch den Einsatz von sogenannten "Kleinwaffen" wie Pistolen, Maschinenpistolen oder Gewehren. Deutschland ist auch drittgrößter Kleinwaffenexporteur der Welt.

Frage: Setzen Sie sich für ein vollständiges Exportverbot von Kleinwaffen aus Deutschland ein?

Dagmar Freitag, SPD:
Wir treten dafür ein, dass Kleinwaffen künftig nur noch an solche Staaten geliefert werden, die den Kriterien der Rüstungsexportrichtlinien entsprechen und die das UN-Kleinwaffenaktionsprogramm für sich als verbindlich betrachten und einhalten.

Manuel Huff, Linke:
Ein deutliches Ja! Die Kleinwaffenexporte, die seit der Rot-Grünen Regierungszeit kontinuierlich zugenommen haben, sind ein riesiges Problem. Sogenannte Kleinwaffen sind ohne Probleme über Grenzen zu schaffen und gelangen so an jeden Punkt auf der Erde. Durch Kleinwaffen sterben rund 90% aller Kriegsopfer. Weltweit zirkulieren über 500 Mio. Kleinwaffen. Es gilt daher auch ein konsequentes Verbot für Kleinwaffen-Exporte umzusetzen, um diesem Trend entgegenzuwirken.

Elke Olbrich-Tripp, Grüne:
Dazu gehört auch das vollständige Verbot von sogenannten "Kleinwaffen".

Michael Schulte, FDP:
Nein. Wie bei Frage Nr. 1 dargestellt, würde ein generelles Exportverbot – selbst wenn dies auf die Kategorie der Kleinwaffen beschränkt wäre – die Handlungsfähigkeit Deutschlands als verlässlichem Partner beschädigen. Da Kleinwaffen besonders häufig in Konflikten eingesetzt werden und über eine lange Benutzbarkeit verfügen, werden diesbezügliche Exportentscheidungen mit der entsprechenden Sorgfalt verantwortlich abgewogen und geprüft.

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6. Keine Lizenzvergaben zum Nachbau deutscher Kriegswaffen

Die Erfahrungen der Vergangenheit belegen, dass die Vergabe von Nachbaurechten (Lizenzen) für Kriegswaffen zu einer unkontrollierbaren Produktion, Weiterverbreitung und zum Einsatz dieser Waffen führt.

Frage: Setzen Sie sich für ein vollständiges Verbot der Lizenzvergabe für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter ein?

Dagmar Freitag, SPD:
Die bisherige Rüstungsexportberichterstattung erfasst nur die erteilten Exportgenehmigungen für Kriegswaffen und andere Rüstungsgüter, nicht aber die Gewährung von Lizenzen für den Nachbau deutscher Waffen im Ausland. Die Vergabe solcher Lizenzen an Drittstaaten ist jedoch mit Blick auf die Auswirkungen und Konsequenzen ähnlich kritisch zu beurteilen. Aktuelle Beispiele zeigen, dass vor allem der Endverbleib solcher unter einer Lizenz produzierter Waffen besonders besorgniserregend ist. Wir fordern, dass im Zuge einer Präzisierung der diesbezüglichen Regelungen künftig keine Lizenzen zur Waffenproduktion mehr an Drittstaaten zu vergeben, die den Endverbleib nicht zweifelsfrei sicherstellen können.

Manuel Huff, Linke:
Das Verbot der Lizenzvergabe muss mit einem konsequenten Waffenexportverbot einhergehen. Was bringt es, den direkten Export zu verbieten, und stattdessen – natürlich gegen eine Lizenzgebühr, also wieder verdienen mit dem Tod - anderen Staaten die Produktion und Auslieferung in alle Länder der Welt zu ermöglichen?

Elke Olbrich-Tripp, Grüne:
Ja

Michael Schulte, FDP:
Nein. Auch wenn Lizenzvergaben besonders sorgfältig zu prüfen sind, da sie die Empfängerstaaten teilweise zur selbständigen Produktion befähigen, wäre ein generelles Verbot von Lizenzvergaben ebenso schädlich wie ein generelles Verbot von Waffen und Rüstungsgütern für die Position Deutschlands als verlässlichem Partner schädlich (vergleiche Antwort Nr. 1 und 5).

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7. Keine tödlichen Drohnen

Verteidigungsminister de Maizière will die Drohnen der Bundeswehr modernisieren und dabei bewaffnen lassen. Durch solche aus der Distanz per Joystick bedienbare[n] „Killer-Drohnen“ sinkt die Hemmschwelle für deren Einsatz.

Frage: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Bundeswehr keine bewaffneten Drohnen für die Tötung von Menschen erhält?

Dagmar Freitag, SPD:
Der Einsatz bewaffneter Drohnen wirft grundlegende völkerrechtliche und ethische Fragen auf, die dringend geklärt werden müssen. Automatisierte Entscheidungsprozesse, die zum Waffeneinsatz führen, sind nicht akzeptabel. Einsätze, die sich auf den Schutz der Zivilbevölkerung auswirken, darf es nicht geben. Dies kann dadurch verhindert werden, dass bewaffnete Drohnen in den internationalen Rüstungskontrollprozess aufgenommen werden. Wir fordern, dass keine Entscheidungen zur Beschaffung von Kampfdrohnen getroffen werden, bevor alle sicherheitspolitischen, völkerrechtlichen und ethischen Fragen umfassend beantwortet sind; dass im Rahmen von Rüstungskontrollpolitik das Thema Kampfdrohnen aufgegriffen und in einen rüstungskontrollpolitischen Prozess eingebettet wird und dass automatisierte waffenfähige Systeme völkerrechtlich geächtet werden. Extralegale Tötungen mit bewaffneten Drohnen stellen einen Verstoß gegen das Völkerrecht dar. Wir wollen, dass sich Deutschland dafür einsetzt, dass derartige Einsätze künftig nicht mehr durchgeführt werden.

Manuel Huff, Linke:
Wenn Menschen in einem stillen Kämmerlein auf Knöpfe drücken um Menschen zu töten wird das Töten zum Videospiel. Und ich sehe es auch so, wie die Einleitung zu dieser Frage: Die Hemmschwelle sinkt. Dass Krieg nicht die Ultima Ratio, sondern die Ultima Irratio ist, wie Willy Brandt richtig sagte, gilt hierbei umso mehr. Ich würde mein Engagement gegen bewaffnete Drohnen sogar noch erweitern, und dafür werben, dass diese international geächtet oder gar völkerrechtlich verboten werden.

Elke Olbrich-Tripp, Grüne:
Den Kauf und den Einsatz von Kampfdrohnen lehne ich ab.

Michael Schulte, FDP:
Das von Ihnen vermutlich angesprochene „targeted killing“ lehnen wir ab. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies durch bewaffnete Drohnen oder andere militärische Mittel geschieht. Die Frage, ob wir für die Beschaffung bewaffneter Drohnen votieren, hängt daher von der sicherheitspolitischen Begründung ab, wofür diese Drohnen eingesetzt werden sollen und wofür eben nicht. Darüber hinaus muss beantwortet werden, warum dann diese klar definierten Aufgaben nicht auch von bereits beschafften Systemen erfüllt werden können und welche Voraussetzungen (z.B. Zulassung unbemannter fliegender Systeme für den deutschen und europäischen Luftraum) geschaffen werden müssen, um diese Systeme in der Ausbildung und im Einsatz betreiben zu können.
Grundsätzlich können bewaffnete Drohnen auch dem Schutz eigener Kräfte dienen, z.B. bei der Überwachung eigener Konvois oder Patrouillen, was wir als sinnvolle Aufgabe erachten. Die Technologie der unbemannten Systeme ist zweifellos eine Zukunftstechnologie und daher müssen wir uns mit ihr auseinander setzen. Dabei ist der für uns wesentlich wichtigere Aspekt der sinnvollen und vielfältigen zivilen Nutzungsmöglichkeiten wie z.B. bei Hilfseinsätzen im Katastrophenfall, der Waldbrandbekämpfung oder der Aufklärung von Umweltdelikten in unseren Küstengewässern ein starkes Argument zur Fortentwicklung und Nutzung der Technologie. Dafür müssen wir dann auch die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen definieren und die Voraussetzungen schaffen, um diese Systeme sinnvoll und sicher zu betreiben sowie die Bürgerinnen und Bürger vor Missbrauch dieser Technologie zu schützen.

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8. Verzicht auf die "nukleare Teilhabe"

Nach Angaben des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (BITS) sollen auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst in Büchel/Eifel bis zu 200 amerikanische Atombomben lagern.

Frage: Werden Sie sich für den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland einsetzen?

Dagmar Freitag, SPD:
Abrüstung, Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle sind für uns zentrale Überlebensfragen. Unser Ziel bleibt eine Welt ohne Atom- und Massenvernichtungswaffen. Wir unterstützen regionale Ansätze für Zonen frei von Massenvernichtungswaffen. Wir wollen, dass im Rahmen eines gesamteuropäischen Abrüstungsvertrages auch die in Deutschland verbliebenen taktischen Atomwaffen abgezogen werden. Wir wollen zugleich der konventionellen Abrüstung und Rüstungskontrolle neue Impulse geben. Eine Welt frei von Atomwaffen ist keine Utopie, sondern eine konkrete Verpflichtung der Unterzeichner des Nichtverbreitungsvertrages.

Manuel Huff, Linke:
Die “Nukleare Teilhabe” ist ein Relikt des Kalten Krieges und verstößt aus meiner Sicht auch gegen den Atomwaffensperrvertrag, den Deutschland 1969 unterzeichnet hat. Die in Deutschland lagernden Atombomben müssen daher abgezogen werden.

Elke Olbrich-Tripp, Grüne:
Ich werde mich dafür einsetzen, dass die letzten noch auf deutschem Boden verbliebenen Atomwaffen abgezogen werden.

Michael Schulte, FDP:
Ja. Der Abzug der taktischen Atomwaffen aus Deutschland ist und bleibt eine Forderung der FDP. Allerdings verbunden mit der Maßgabe, dass wir dies nur gemeinsam mit unseren Partnern in der NATO beschließen und umsetzen können. Die NATO ist nach wie vor unser wichtigster sicherheitspolitischer Anker. Wir können es uns politisch nicht leisten, einseitige oder nicht abgestimmte Entscheidungen, die dann auch das gesamte Bündnis betreffen, isoliert zu fällen. Bundesaußenminister Westerwelle ist es dennoch gelungen, das Thema Abrüstung wieder auf die politische Tagesordnung der NATO zu setzen. Im neuen strategischen Konzept der NATO wurde das Ziel der nuklearen Abrüstung gerade auf deutsches Drängen hin prominent aufgenommen und diesem wichtigen Thema wurde dabei ein eigener Abschnitt gewidmet. Allerdings werden ohne die Bereitschaft der USA und Russlands signifikante Abrüstungsschritte nur schwer zu erreichen sein. Nach der Wiederwahl von Präsident Obama könnten sich aber neue Chancen zur weiteren Reduzierung der strategischen und taktischen Nuklearwaffen im Dialog mit Russland ergeben, die ggf. einen schrittweisen Abzug dieser Waffen aus Europa ermöglichen. Das formulierte Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt wird von der FDP außenpolitisch nachhaltig unterstützt.

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9. Ausbau der zivilen Konfliktbearbeitung

Für das Militär wird in Deutschland über 1000 mal mehr ausgegeben wie für den zivilen Friedensdienst (ca. 33 Mrd. € gegenüber 29 Mio. €).

Frage: Werden Sie sich für den Ausbau des zivilen Friedensdienstes und damit verbunden für eine deutliche Erhöhung der finanziellen Mittel für diese Aufgabe einsetzen?

Dagmar Freitag, SPD:
Zivile Krisenprävention und Konfliktregelung haben für uns immer eindeutig Vorrang. Dringend erforderlich ist wieder eine klare Orientierung und die Festlegung von Prioritäten im Bereich der Friedensförderung und Konflikttransformation. Wir treten nachdrücklich dafür ein, dass zivile Krisenprävention und Konfliktregelung wieder Vorrang in der deutschen und europäischen Außenpolitik haben. Dazu gehört auch eine übergreifende, abgestimmte und umfassende Strategie, um Strukturen und Entscheidungsprozesse effektiver zu gestalten. Wir wollen das unter sozialdemokratischer Führung entwickelte Konzept „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ weiterentwickeln. Der Zivile Friedensdienst hat sich als ein zivilgesellschaftliches Element der Krisenprävention bewährt und soll wieder gestärkt werden. Wir fordern, die personellen und finanziellen Ressourcen für zivile Maßnahmen zu verstetigen und mittelfristig auszubauen, um so die nationalen Ziele dauerhaft und mit einer auf Kontinuität ausgerichteten Perspektive umsetzen zu können.

Manuel Huff, Linke:
Der zivile Friedensdienst bedarf der Aufstockung. Die Ausgaben für das Militär sind auf der Gegenseite ebenfalls zu prüfen. Die Bundeswehr ist eine Verteidigungsarmee, und sollte auch konsequent darauf beschränkt werden. Zivile Lösungen sind militärischen Lösungen vorzuziehen.

Elke Olbrich-Tripp, Grüne:
Der Forderung aus unserem Bundestagswahlprogramm diese Mittel zu verdoppeln kann ich mich ohne Einschränkung anschließen.

Michael Schulte, FDP:
Der Zivile Friedensdienst ist ein wichtiges Element der Zusammenarbeit von Bundesregierung und Zivilgesellschaft. Durch die Entsendung qualifizierter „Friedensfachkräfte“ kann wertvolle Graswurzelarbeit in Spannungsgebieten verrichtet werden, durch die besondere Kooperationsform staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen kann der ZfD darüber hinaus Wege der Zusammenarbeit eröffnen, die staatlichen Strukturen allein verschlossen blieben. Die Tatsache, dass das Antragsvolumen der Träger regelmäßig über dem Budget des Zivilen Friedensdienstes liegt, begründet jedoch noch keine Erhöhung des Etats. Es gilt in diesem Fall die wirksamsten Projekte auszuwählen, um eine effektive Förderung zu gewährleisten. Tatsächlich erfolgte bereits 2009 eine massive Erhöhung des Haushaltstitels des ZFD um 50 %, zurzeit liegt dieser bei jährlich 29 Mio. €. Darüber hinaus kann der Zivile Friedensdienst nur eines von vielen Werkzeugen bei der Konfliktbewältigung sein. Aus liberaler Sicht setzen wir uns dafür ein, dass Deutschland den sogenannten vernetzten Ansatz in der Sicherheitspolitik fortsetzt. Dabei werden neben militärischen vor allem eine breite Palette ziviler Instrumente genutzt. Hierzu zählen neben der Unterstützung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten die Diplomatie zur Beilegung politischer Konfliktursachen, die Mittel der Entwicklungszusammenarbeit, der Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen im Justizbereich, die Reform von Sicherheitssektoren durch Polizeiausbildung sowie handelspolitische Maßnahmen, um die wirtschaftlichen Perspektiven eines Landes nachhaltig zu stärken. Als Liberale setzen wir uns dafür ein, dass die Vernetzung der unterschiedlichen Instrumente der Bundesregierung weiter fortentwickelt wird, damit die Instrumente sich durch das Zusammenwirken gegenseitig positiv verstärken und ergänzen.

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10. Europäische Solidarität beim Schutz von Flüchtlingen

Angesichts der desaströsen wirtschaftlichen Lage in vielen südeuropäischen Ländern wird überdeutlich, dass die deutsche sogenannte “Drittstaatenregelung” dort zur Überforderung bei der Aufnahme von Flüchtlingen führt.

Frage: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die in Europa Schutz Suchenden auf alle europäischen Staaten entsprechend ihrer Wirtschaftskraft verteilt werden?

Dagmar Freitag, SPD:
Wir unterstützen aktiv die unverzichtbare Tätigkeit des Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen und setzen uns in der Europäischen Union für mehr Solidarität mit Flüchtlingen und für eine gerechtere Lastenverteilung bei ihrer Integration ein. Wir werden eine menschenrechtskonforme Flüchtlingspolitik in der EU voranbringen, einschließlich eines solidarischen Ausgleichs. Gemeinsam mit dem UNHCR werden wir ein bundesweites Programm für Resettlement für Kontingentflüchtlinge ausbauen und verstetigen.

Manuel Huff, Linke:
Flüchtlinge sollten gemäß der Wirtschaftskraft verteilt werden. Die europäische Krisenpolitik, die maßgeblich von Angela Merkel und der derzeitigen Bundesregierung bestimmt wird - und im Bundestag von SPD und GRÜNEN mitgetragen wird - führt zum wirtschaftlichen Niedergang . Die wirtschaftliche Lage, beispielweise in Griechenland, befeuert die oft vorhandene gesellschaftliche Ablehnung von Asylsuchenden und führt zum Erstarken rechtsextremer Parteien. Die Drittstaatenregelung birgt daher die Gefahr, dass Asylsuchende in Abschiebeketten landen, das heißt, dass sie unter Umständen von Deutschland in das ursprüngliche Einreiseland, z.B. nach Griechenland oder Spanien abgeschoben werden, und dort aus wirtschaftlichen Gründen oder der oftmals daraus folgenden Ablehnung gegen Fremde eine weitere Abschiebung erfolgt.
Auf den Punkt gebracht: ein paar Asylsuchende mehr in Deutschland ruinieren nicht die Staatsfinanzen, wie oft suggeriert wird. Das wird durch eine verfehlte Steuerpolitik erreicht.

Elke Olbrich-Tripp, Grüne:
Die Solidarität beim Schutz von Flüchtlingen ist für mich eine Selbstverständlichkeit.

Michael Schulte, FDP:
Aktuell gibt es auf Vorschlag des Bundesministers des Innern keine Rücküberstellungen nach Griechenland im Rahmen des Dublin-Verfahrens, da Griechenland, wie von Ihnen dargestellt, überfordert ist. Angesichts der schwierigen Lage für die Betroffenen in Griechenland unterstützen wir dieses Vorgehen ausdrücklich. Der Deutsche Bundestag hat einen Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen (s. BT-Drs. 17/7979 „Menschenwürde ist nicht verhandelbar - Bedingungen in griechischen Flüchtlingslagern sofort verbessern“). Dies zeigt, dass es einen großen Konsens in der Bewertung und eine hohe Sensibilität in dieser Frage gibt. Wie das europäische Asylsystem optimal für Flüchtlinge und Aufnahmestaaten gestaltet werden kann, muss beständig geprüft werden. Nur an einer Stellschraube, bspw. dem Verteilungsmechanismus, zu drehen, ist daher nicht sinnvoll.

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11. Hilfe für Vertriebene in und um Syrien

Nach UNHCR-Angaben sind 4 Millionen Menschen innerhalb Syriens auf der Flucht. In den Nachbarländern hielten sich Anfang April weit über 1 Million Flüchtlinge aus Syrien auf. Angesichts dieser Zahlen sind auch die von Deutschland zugesagten humanitären Hilfen in Höhe von 75 Millionen € für die Nachbarländer und 20 Millionen € in Syrien unzureichend.

Frage: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die humanitäre Hilfe Deutschlands für die vom Bürgerkrieg betroffenen Menschen in Syrien aufgestockt wird?

Dagmar Freitag, SPD:
Der Konflikt in Syrien birgt die ernste Gefahr, die gesamte Region in eine Spirale politisch und religiös motivierter Gewalt hineinzuziehen. Wir wollen, dass Deutschland bei der Lösung dieses Konflikts nicht länger abseits steht, sondern seine diplomatischen Möglichkeiten stärker als bislang nutzt, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Die genannten Summen reichen bei weitem nicht aus, um das Leid der Flüchtlinge wirksam zu lindern. Daher muss die humanitäre Hilfe dringend aufgestockt werden.

Manuel Huff, Linke:
Die Syrien-Hilfe muss dringend erweitert werden. Während die Lage in den Nachbarstaaten teilweise noch halbwegs geregelt ist, ist die Lage in Syrien selbst, was die Versorgung an Lebensmitteln und Medikamenten angeht völlig unzureichend. Die Staatengemeinschaft muss sowohl die Lage in den Nachbarländern verbessern und vor allen Dingen im Land selbst. Dazu braucht es den politischen Willen, Mittel bereitzustellen.

Elke Olbrich-Tripp, Grüne:
Zu 11 und 12: Angesichts der extrem hohen Flüchtlingszahlen um Syrien kann ich die Haltung der schwarz-gelben Bundesregierung nur als Menschenverachtend bezeichnen. Natürlich muss die humanitäre Hilfe Deutschlands aufgestockt werden und zumindest der Zuzug von Menschen, die hier Verwandte haben, ermöglicht werden. Zumal es sich bei über der Hälfte der Flüchtlinge um Kinder handelt.

Michael Schulte, FDP:
Auf Betreiben der FDP gehört Deutschland zum zweitgrößten Geber humanitärer Hilfe seit dem Beginn der Krise in Syrien und engagiert sich überproportional stark. Die humanitäre Hilfe setzt in Syrien selbst, aber auch in den Nachbarländern an. Sollte die Lage in Syrien sich weiter verschlechtern, sollte dementsprechend auch die humanitäre Hilfe angepasst und erhöht werden. Aus liberaler Sicht setzen wir uns insbesondere dafür ein, dass auf eine bedarfsgerechte inhaltliche und regionale Gewichtung der humanitären Hilfe geachtet wird. Allerdings zählt nicht die Höhe der Ausgaben allein sondern immer auch die Art der Ausgaben. Daher wurde auf Betreiben der FDP im türkische-syrischen Grenzgebiet ein Kontaktbüro eröffnet, dass die humanitäre Hilfe aller Geber koordinieren soll. Neben finanzieller Hilfe ist für die FDP das weiteren Bemühen um eine politische Lösung entscheidend. Die FDP setzt sich für ein freies Syrien ein, in dem Demokratie und Toleranz gegenüber Minderheiten und allen Religionen herrschen.

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12. Aufnahme und medizinische Versorgung von Flüchtlingen aus Syrien

Im Frühjahr diesen Jahres flüchteten täglich 5000 Menschen vor dem syrischen Bürgerkrieg in die Nachbarländer Türkei, Libanon und Jordanien. Viele von ihnen sind verletzt; manche haben Verwandte in Deutschland, die zur Aufnahme bereit sind. Zur gleichen Zeit wurde in Deutschland darüber diskutiert, 5000 Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen.

Frage: Werden Sie sich für die Aufnahme einer weit größeren Zahl von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen in Deutschland einsetzen?

Dagmar Freitag, SPD:
Die Zahl der Syrer, die vor dem Bürgerkrieg in die Nachbarstaaten Syriens geflohen sind, hat längst die Millionengrenze überschritten. Nach Einschätzung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, António Guterres, wird sie bis Ende 2013 die Dreimillionengrenze erreichen. Die Anrainerstaaten Syriens sind als Aufnahmestaaten überlastet und benötigen dringend unsere Solidarität. Um aber den hohen Belastungsdruck auf die Aufnahmestaaten abzumildern, muss die Hilfe vor Ort dadurch ergänzt werden, dass auch Staaten aus anderen Weltregionen Teile der Flüchtlinge aufnehmen. Deutschland muss sich gegenüber den anderen EU-Mitgliedstaaten nachdrücklich dafür einsetzen, dass schnell eine gemeinsame europäische Initiative zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge ergriffen wird. Dabei ist als zentrales Kriterium für die Aufnahme die besondere Schutzbedürftigkeit zu berücksichtigen, die bei Angehörigen religiöser Minderheiten, Folteropfern und traumatisierten Flüchtlingen, alleinstehenden Frauen, Kindern, Alten und Kranken sowie Flüchtlingen mit besonderen rechtlichen oder physischen Schutzbedürfnissen anzunehmen ist. Als ergänzendes Kriterium können Verwandtschaftsbeziehungen berücksichtigt werden, um die soziale und wirtschaftliche Integration der Aufgenommenen zu erleichtern. Wir haben seit langer Zeit die Bundesregierung gedrängt, unabhängig von der angestrebten europäischen Regelung, syrische Flüchtlinge in Absprache mit den Bundesländern aufzunehmen. Unser Drängen hatte mittlerweile Erfolg, und die Regierung hat sich bereit erklärt, 5.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Dies kann jedoch nur ein erster Schritt sein. Wir treten dafür ein, dass der Abschiebestopp nach Syrien verlängert und dass die Auslegungs- und Ermessensspielräume für die Gewährung von Aufenthaltstiteln aus humanitären Gründen für hier lebende Syrer großzügig ausgeschöpft werden.

Manuel Huff, Linke:
Ja. Wer Flüchlingen die Aufnahme verweigert, nimmt in der Regel deren Tod in Kauf. Daher ist es humanitäre Pflicht, mehr Menschen aus dem Bürgerkriegsland Syrien aufzunehmen. Wie in einer der vorangegangen Fragen angesprochen fehlen anderen Staaten teilweise die Mittel. Artikel 2 unseres Grundgesetzes besagt: “Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.”
Das gilt es umzusetzen.

Elke Olbrich-Tripp, Grüne:
Zu 11 und 12: Angesichts der extrem hohen Flüchtlingszahlen um Syrien kann ich die Haltung der schwarz-gelben Bundesregierung nur als Menschenverachtend bezeichnen. Natürlich muss die humanitäre Hilfe Deutschlands aufgestockt werden und zumindest der Zuzug von Menschen, die hier Verwandte haben, ermöglicht werden. Zumal es sich bei über der Hälfte der Flüchtlinge um Kinder handelt.

Michael Schulte, FDP:
Deutschland ist mit gutem Beispiel vorangegangen: die Aufnahme von 5000 Flüchtlingen ist richtig und ein wichtiges Signal für die Betroffenen. Die Bundesregierung hat sich aber nicht darauf beschränkt: vielmehr gilt in Abstimmung mit den Ländern seit Monaten bereits ein Abschiebestopp für Syrer; der Ehegattennachzug ist erleichtert worden; syrischen Studenten in Deutschland, die von den Geldflüssen aus ihrer Heimat abgeschnitten sind, wird ermöglicht, mit sicherem Aufenthaltsstatus auch BaföG zu beantragen. Bundesaußenminister Dr. Westerwelle hat sich darüber hinausgehend dafür ausgesprochen, auch eine erleichterte Einreise von weiteren Familienangehörigen von in Deutschland lebenden Syrern zu ermöglichen. Gleichzeitig engagiert sich die Bundesregierung vor Ort, um den Flüchtlingen zu helfen. Deutschland gehört zu den größten Geldgebern für die Hilfe vor Ort.

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13. Atomausstieg beschleunigen - regenerative Energien ausbauen

Trotz der Abschaltung von acht Atomkraftwerken hat Deutschland sogar noch erhebliche Strommengen exportieren können. Gleichzeitig wird versucht, den schnellen Ausbau von Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien als Preistreiber darzustellen. Die meisten verbliebenen Atomkraftwerke sollen noch bis 2022 in Betrieb bleiben.

Frage: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die verbliebenen Atomkraftwerke schneller abgeschaltet und durch regenerative Energeerzeugungsanlagen ersetzt werden?

Dagmar Freitag, SPD:
Die SPD tritt dafür ein, so schnell wie möglich aus der Atomkraft wieder auszusteigen. Wir hatten einen geordneten Ausstieg mit allen Beteiligten bereits im Jahr 2000 auf den Weg gebracht. Bekanntlich hat die Regierung Merkel diesen als eine der ersten Amtshandlungen aus ideologischen Gründen rückgängig gemacht. Erst die Katastrophe von Fukushima führte zu einem erneuten Schwenk der Regierung Merkel. Der neue Atomausstiegskonsens stellt die maximale Frist dar, in der Atomkraftwerke Strom liefern sollen. Selbstverständlich sind wir bereit, früher als geplant aus der Atomkraft auszusteigen, soweit dies bei gesicherter Energieversorgung möglich ist. Zudem dürfen keine Regressforderungen entstehen, die aus Steuermitteln zu bezahlen wären.

Manuel Huff, Linke:
Ja. Das Problem bei diesem Vorhaben ist die Struktur der Versorgung. Eine wirkliche Energiewende ist meines Erachtens nicht gegen die Interessen der Energieriesen RWE, E.ON, EnBW, Vattenfall durchzusetzen. Diese stehen aus Gewinninteressen der Wende im Weg, da sie ihre Atomkraftwerke natürlich gerne bis in alle Ewigkeiten am Netz haben wollen.
Daher ist eine Vergesellschaftung der großen Konzerne nötig. Die Energieversorgung muss nicht nur erneuerbar, sondern vor allen Dingen dezentral ablaufen, um einen irrsinnigen Leitungsbau durch ganz Deutschland zu verhindern. Energie muss dort erzeugt werden, so sie verbraucht wird.
Um die Wende zu ermöglichen muss auch Energieffizienz diskutiert werden. Kurzfristig muss, zur Sicherung der bezahlbaren Versorgung, die Strompreisbindung wieder eingeführt werden.

Elke Olbrich-Tripp, Grüne:
Ich setze mich von je her dafür ein, dass ein schnellerer Atomausstieg möglich ist und der Ausbau von regenerativen Energien beschleunigt wird.

Michael Schulte, FDP:
Die FDP hat in dieser Bundesregierung mit dafür gesorgt, dass die Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität zum frühestmöglichen Zeitpunkt - zeitlich gestaffelt - beendet wird. Der Deutsche Bundestag hat hierzu am 30. Juni 2011 das Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes verabschiedet; das Gesetz ist am 6. August 2011 in Kraft getreten. Wir werden schrittweise, jedoch spätestens bis Ende 2022, vollständig auf die Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität in Deutschland verzichten - und damit schneller als jede andere Regierung zuvor dies jemals geplant hatte. Die während der einstweiligen dreimonatigen Betriebseinstellung bereits abgeschalteten sieben ältesten Kernkraftwerke sowie das Kernkraftwerk Krümmel bleiben dauerhaft vom Netz. Enddatum für die übrigen Kernkraftwerke: 2015 Grafenrheinfeld, 2017 Gundremmingen B, 2019 Philippsburg 2, 2021 Grohnde, Gundremmingen C und Brokdorf sowie 2022 für die drei jüngsten Anlagen Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2.
Wir sind mit diesem Zeitplan nah an die Grenze dessen gegangen, was den Menschen in unserem Land wirtschaftlich und sozial zugemutet werden kann. Die Kosten der Erzeugung von Strom aus regenerativen Quellen ist auf der Ebene der variablen Kosten wesentlich günstiger als die konventionelle Stromerzeugung. Wenn die Strompreise dennoch steigen, so liegt dies auch daran, dass zu den reinen Erzeugungskosten u. a. noch die Kosten der Netzanbindung und der Netzstabilisierung hinzugerechnet werden müssen. Auch die Gewährleistung von Versorgungssicherheit gehört als - nicht zuletzt auch soziale - Zieldimension gleichberechtigt zu einer nachhaltigen Stromversorgung. Eine weitere Dimension der Nachhaltigkeit betrifft, wie Sie wissen, die Wirtschaftlichkeit. Hier ist zu beachten, dass neben den Arbeitsplätzen, die durch die Energiewende geschaffen werden, auch die Arbeitsplätze in energieintensiven Branchen berücksichtigt werden müssen, die durch allfällig steigende Stromkosten wegfallen oder gar nicht erst entstehen.
Die FDP will, dass Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie erhalten bleiben. Weil der Ausbau erneuerbarer Energien viel schneller voran geht als geplant, muss nachgesteuert werden, damit die Netze stabil bleiben. Produzenten müssen dabei mehr Verantwortung übernehmen, und die Erneuerbaren an den Markt herangeführt werden. Wir Liberalen schlagen u.a. vor, dass die Förderung weg von der festen Einspeisevergütung und hin zur Direktvermarktung umgestellt wird. Produzenten mit neuen Anlagen sollen sich einen Kunden suchen müssen, statt den Strom unabhängig vom Bedarf beim Netzbetreiber abzuliefern. Dabei soll Strom aus erneuerbaren Energien mit einem Preiszuschlag unterstützt werden, aber generell sollen die Erlöse am Markt erzielt werden. Die Mindestpreise des EEG, die unabhängig von den Börsenpreisen gezahlt werden, sind nicht zukunftsfähig. Außerdem befürworten wir automatische Förderkürzungen bei Überschreiten vorgegebener Ausbauziele. Langfristig ist für uns ein europäisches Mengenmodell ein Ziel, um einen Mindestanteil erneuerbarer Energien an den kostengünstigsten Standorten Europas zu produzieren. Ein sofortiges Mengenmodell fordert die FDP jedoch nicht, sondern einen gleitenden Übergang in den Markt, um allen Technologien eine Chance zu geben und eine mittelständische Erzeugungsstruktur zu fördern. Dessen ungeachtet ist voller Vertrauensschutz in getätigte Investitionen unverzichtbar. Alle Änderungen dürfen sich deshalb nur auf künftige Investitionen beziehen. Die zusätzlichen Mehrwertsteuereinnahmen des Bundes aus der steigenden EEG-Umlage sollen über die Stromsteuer an die Bürger zurückgegeben werden, damit der Staat sich nicht an der Energiewende bereichert.
Neben dem Vertrauensschutz für die Investoren ist der FDP wichtig, dass die Energiewende nicht ihre breite Akzeptanz bei den Menschen verliert, weil Einzelne sich in überzogener Höhe und ohne jede Rücksichtnahme bereichern. Das alternativ diskutierte Mengenmodell ist ein langfristiges Projekt für einen europäischer Binnenmarkt, welches nicht für den kurzfristigen Planungshorizont kurzfristig diskutiert wird. In jedem Fall will die FDP grundsätzlich den Einspeisevorrang für erneuerbare Energien erhalten.

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14. Keine Absicherung von Atomtechnikexporten durch Hermes-Bürgschaften

Mit Hermes-Bürgschaften sichert der Staat Exportgeschäfte, die den Bau neuer AKW's zum Ziel haben, auf Kosten der SteuerzahlerInnen ab.

Frage: Werden Sie sich für ein Verbot von Hermes-Bürgschaften zum Bau neuer Atomkraft-werke einsetzen?

Dagmar Freitag, SPD:
Ja, wir wollen, dass keine Hermes-Bürgschaften mehr für den Bau neuer Atomkraftwerke im Ausland mehr vergeben geben. Der Export von Atomtechnologie darf nicht unterstützt werden.

Manuel Huff, Linke:
Wer hierzulande einen Atomausstieg beschließt, aber an Hermes-Bürgschaften für den Bau von Atomkraftwerken in anderen Ländern wie Tschechien oder Finnland unterstützt ist in meinen Augen scheinheilig. Konsequenter Atomausstieg bedeutet auch, keine Atomprojekte in anderen Ländern zu unterstützen.

Elke Olbrich-Tripp, Grüne:
Hermes-Bürgschaften lehne ich strikt ab.

Michael Schulte, FDP:
Für Hermes-Bürgschaften werden keine Steuermittel eingesetzt. Vielmehr tragen sich die Bürgschaften aus den Beiträgen der die Versicherung in Anspruch nehmenden Unternehmen in toto selbst. Vor allem mittelständische Unternehmen nutzen die Hermes-Bürgschaften zur Absicherung ihrer Exportgeschäfte; die Bürgschaften tragen so - quer durch die breite Palette der deutschen Wirtschaft - zur Sicherung von Arbeitsplätzen von Ingenieuren und Facharbeitern in Deutschland bei. Anders als im obigen Text unterstellt, handelt es bei „Hermes“ mithin nicht ein „Subventionsinstrument für Atomexporte auf Kosten der Steuerzahler“.
Auch in Zukunft werden wir uns für ein Verbot von Hermes-Bürgschaften für den Export von Komponenten der Kernkraftwerkstechnologie nicht einsetzen. Wer dies fordert, spricht den importierenden Ländern (also zum Beispiel Schwellenländern Lateinamerikas) die Fähigkeit und letztlich sogar das Recht ab, ihren eigenen Weg bei der Sicherung ihrer Energieversorgung zu gehen. Die Tatsache, dass Deutschland den Ausstieg aus der Kernkraft gewählt hat, bedeutet nicht, dass alle anderen den gleichen Weg gehen müssen. Der letzte deutsche Kaiser wollte bekanntlich, dass „die ganze Welt am deutschen Wesen genesen“ solle. Das war schon damals falsch, und heute ist es das erst recht. Die Menschen in den aufstrebenden Schwellenländern lehnen die Missachtung ihrer Entscheidungsfähigkeit durch „besserwisserische“ Europäer entschieden ab - und zwar zu recht.

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15. Mindestlohn einführen

Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter in Deutschland bekommen so wenig Lohn, dass sie trotz Vollzeitarbeitsplatz unter der Armutsgrenze leben bzw. nur durch “aufstockende” Hartz IV-Leistungen knapp darüber liegen.

Frage: Werden Sie sich für die Einführung eines allgemeinen, existenzsichernden Mindestlohnes in Deutschland einsetzen? Wenn ja, wie hoch soll er Ihrer Meinung nach ausfallen?

Dagmar Freitag, SPD:
Ja. Wir wollen einen gesetzlichen, flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von mindestens 8,50 Euro einführen, der auf Vorschlag einer vom Bundesarbeitsministerium eingesetzten Mindestlohnkommission jährlich angepasst wird. Die Umsetzung des Mindestlohns soll mit klaren Regeln kontrolliert und bei Missachtung sanktioniert werden.

Manuel Huff, Linke:
DIE LINKE hat als erste das Thema Mindestlohn auf die Agenda gesetzt, und dieses Ziel werde ich auch konsequent vertreten. Ein allgemeiner, flächendeckender Mindestlohn von 10 € ist dabei die Forderung, der perspektivisch ansteigen muss.
Alles unter 10 € als existenzsichernd zu bezeichnen ist schlicht realitätsfern. Allerdings muss, um den Lohndruck in Deutschland zu stoppen, das Hartz-System insgesamt überwunden werden, da dieses die Arbeitnehmer insgesamt entrechtet hat. Es führt automatisch zu sinkenden Löhnen, wenn man gezwungen werden kann jede Arbeit zu jedem Lohn anzunehmen.

Elke Olbrich-Tripp, Grüne:
Als ersten realistischen Aufschlag für die Einführung eines Mindestlohns unterstütze ich die Forderung in unserem Wahlprogramm nach 8,50€.

Michael Schulte, FDP:
Unser Arbeitsmarktmodell ist erfolgreich, weil es auf Tarifautonomie und flexiblen Tarifpartnerschaften von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften basiert. Wir bekennen uns zur Tarifautonomie. Pauschale Lohnfestsetzung durch die Politik wird auch der differenzierten Arbeitsmarktlage und den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in Deutschland nicht gerecht. Deshalb lehnen wir einen allgemeinen, flächendeckenden Mindestlohn strikt ab. Er politisiert die Lohnfindung und verhindert, dass Menschen, insbesondere jüngere und diejenigen mit geringer Qualifizierung, in den Arbeitsmarkt einsteigen können. Außerdem fördert er Umgehungen wie die Schwarzarbeit. Der Mindestlohn wird damit zu einem sozialpolitischen Bumerang: Die Gruppe der Arbeitnehmer, die durch einen einheitlichen Mindestlohn geschützt werden soll, steht am Ende ohne Arbeitsplatz und mit schlechteren Einstiegschancen da. Wer sich anstrengt, soll entsprechend seiner Leistung fair entlohnt werden, gerade auch am unteren Ende der Lohnskala. Bereits heute gibt es in Deutschland nach Tarifvertragsgesetz, Arbeitnehmerentsendegesetz und Mindestarbeitsbedingungengesetz die Möglichkeit, in einzelnen Branchen Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären oder eine Lohnuntergrenze festzulegen. Deshalb haben wir in dieser Legislaturperiode für weit über zwei Millionen Beschäftigte die von Tarifparteien ausgehandelten Tarifverträge neu für allgemeinverbindlich erklärt und damit eine Lohnuntergrenze in der jeweiligen Branche gesetzt. Ob wir diesen Weg im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft weitergehen und im Einklang mit der Tarifautonomie die Möglichkeit für weitere Lohnuntergrenzen schaffen wollen, wird derzeit in der FDP diskutiert. Eine Entscheidung soll voraussichtlich am Bundesparteitag am 4./5. Mai getroffen werden.

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16. Hier tätige Firmen sollen hier auch Steuern zahlen

Nicht nur große US-Medienkonzerne wie Amazon, Ebay oder Google praktizieren in Europa ein (legales) Geschäftsmodell, mit dem auf ihre Milliardeneinnahmen in der EU durch die Nutzung von Steueroasen (wie z.B. Luxemburg/Amazon) kaum Steuern anfallen.

Frage: Werden Sie dafür eintreten, dass Steuern dort bezahlt werden, wo der Unternehmensgewinn tatsächlich erwirtschaftet wird (bei Bedarf durch entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen mit den betreffenden “Steueroasen” auch innerhalb der EU)?

Dagmar Freitag, SPD:
Die SPD fordert, die Gewinnverlagerung grenzüberschreitend operierender Konzerne in Steueroasen konsequent zu bekämpfen. Die Steuervermeidung vieler solcher Unternehmen beruht regelmäßig auf der grenzüberschreitenden Verlagerung von Gewinnen in Niedrigsteuerländer. Die benutzten Praktiken sind zwar oft formal legal, stehen aber zur Intention der Steuergesetze im Widerspruch. Deswegen müssen die bereits bestehenden Empfehlungen von OECD und Europäischer Kommission zur Bekämpfung aggressiver Steuerplanung internationaler Konzerne umgehend in nationales Recht umgesetzt werden. Dies betrifft vor allem die Ausnutzung von Steuerschlupflöchern. Wir treten seit langem dafür ein, den schädlichen Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu beenden. Mindestens der Euroraum braucht eine gemeinsame Bemessungsgrundlage und die Vereinbarung von Mindeststeuersätzen bei der Körperschaftsteuer, damit die wirtschaftlichen Ungleichgewichte mittelfristig abnehmen.

Manuel Huff, Linke:
Die Gerechtigkeitsfrage ist das Thema unserer Zeit. Steuergerechtigkeit ist ein großer Teil davon. Selbstverständlich müssen Unternehmensgewinne dort besteuert werden, wo sie erzielt werden. Auch sollte die Steuerpflicht eines jeden Bürgers an die Staatsbürgerschaft gekoppelt werden. So kann, genau wie bei Unternehmen, die Steuerflucht bekämpft werden. Die Steuerpflicht sollte bei einem Wechsel der Staatsbürgerschaft mindestens noch 10 Jahre im Urpsrungsland bestehen bleiben.
Wandert so beispielsweise ein Deutscher in nach Liechtenstein aus, so muss er auch einen Steuerbescheid an die deutschen Steuerbehörden schicken. Würde er in Liechtenstein nun weniger Steuern zahlen als in Deutschland, so muss er den Differenzbetrag an die deutschen Finanzbehörden entrichten.

Elke Olbrich-Tripp, Grüne:
Ja, diese Forderung werde ich unterstützen.

Michael Schulte, FDP:
Die FDP verfolgt das Ziel, die Wettbewerbsbedingungen für diejenigen Unternehmen, die ihre Gewinne in Deutschland versteuern, durch ein wettbewerbsförderndes und faires Steuersystem zu verbessern. Wir unterstützen die erfolgreiche Arbeit auf G20 und OECD-Ebene in dem Projekt „Base Erosion and Profit Shifting“. Es müssen die Ursachen für die niedrige effektive Steuerbelastungen von multinationalen Unternehmen ermittelt werden. Auf die Ergebnisse aufbauend müssen wirksame Maßnahmen gegen die Gewinnverlagerung und die Aushöhlung der Bemessungsgrundlage international vereinbart und auch umgesetzt werden. Auch multinationale Unternehmen müssen einen fairen Anteil an Steuern dort zahlen, wo die Wertschöpfung stattfindet. Ansonsten verschaffen sich international operierende Unternehmen durch geschickte Steuergestaltung ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile gegenüber klein- und mittelständischen Unternehmen, die national operieren.

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17. Gewinnmaximierung und ungezügeltes Wachstum

Das Prinzip der Gewinnmaximierung prägt nicht nur die Finanzwelt. Effizienzsteigerung gilt weiterhin als Maß allen wirtschaftlichen Handelns. Wir plündern schonungslos unsere natürlichen Ressourcen und unterwerfen sie Marktgesetzen. Regenerative Energien geben uns scheinbar die Erlaubnis, unser Konsumverhalten nicht überdenken zu müssen.

Frage: Ist für Sie ein alternatives Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell vorstellbar? Welche Werte sollten Ihrer Vorstellung nach dieses Modell prägen?

Dagmar Freitag, SPD:
Wir wollen einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik. Nachhaltige Finanzen: Ein Abbau der öffentlichen Schuldenlast, der nicht zu Lasten der öffentlichen Zukunftsaufgaben erfolgt. Wirtschaftliche Nachhaltigkeit: Wohlstand und der Erfolg unserer Wirtschaft bemessen sich für uns nicht allein am Bruttosozialprodukt, sondern auch an einem hohen Beschäftigungsstand und einer möglichst ausgeglichenen Leistungsbilanz. Soziale Nachhaltigkeit: Sie zeigt sich vor allem in der Bekämpfung von Armut, in einer gerechten Einkommensverteilung, Bewertung und Entlohnung von Arbeit und in besseren Bildungschancen. Ökologische Nachhaltigkeit: Es gilt, Wachstum und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln, die Treibhausgasemissionen zu senken und Ressourcen produktiver zu nutzen. Der weltweit rasant steigende Verbrauch von natürlichen Ressourcen wird in naher Zukunft zu Problemen führen, die vor allem nachfolgende Generationen belasten werden. Wir wollen Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Durch eine Senkung der Materialintensität, der Minimierung von Abfall und durch Kreislaufsysteme wollen wir eine Entkoppelung von Wohlstand und quantitativem Wachstum erreichen. Unser Ziel ist eine nachhaltige Entwicklung. Ein wichtiger Beitrag dazu ist eine ökologische Industriepolitik mit innovativen Produkten und Dienstleistungen. Der verminderte Einsatz von Ressourcen bei Material- und Energiekosten stärkt zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

Manuel Huff, Linke:
Das alleinige Streben nach Wachstum und der Glaube, dass durch stetiges Wachstum es immer Allen gut geht, muss überwunden werden. Solidarität, Freiheit (die immer auch wirtschaftliche Freiheit bedeuten muss), Gerechtigkeit, Mitbestimmung und Teilhabe aller Menschen, Umwelt- und Friedenserhalt sollten die Grundpfeiler einer Gesellschaft sein. Wohlstand muss dazu gerecht verteilt werden. Das europäische Sozialstaatsmodell hat den Grundstein gelegt, leider wurde dieses zunächst durch SPD und GRÜNE, und weiter durch die Regierungen unter Merkel (CDU/SPD sowie CDU/FDP) zerstört - wir sollten es wiederbeleben und weiterentwickeln. Wir brauchen keine “marktkonforme Demokratie”, sondern “demokratiekonforme Märkte”. Eine Demokratie, die sich an den Kursen der Börse orientiert, statt am Wählerwillen, ist keine Demokratie, sondern eine Oligarchie. Wir Bürgerinnen und Bürger müssen begreifen, dass es zu Allem eine Alternative gibt, und dass die derzeitige Politik der Alternativlosigkeit einseitig die Interessen der Banken und Konzerne begünstigt, während für die breite Masse immer weniger übrig bleibt. Nur wenn wir den maßgeblich von der deutschen Regierung betriebenen Kurs stoppen, kann auch Europa funktionieren.

Elke Olbrich-Tripp, Grüne:
Ja, für mich ist das vorstellbar.
Werte:
- Lebensqualität schaffen, ohne Umwelt, Natur und unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu zerstören
- Eine gerechte Gesellschaft, die niemanden ausschließt von Leben und Bildung und einem Leben in Würde
- Gleichberechtigung für alle
- Teilhabe am Arbeitsmarkt, Bildung, sozialer Sicherung, Gesundheits- und Pflegesystem

Michael Schulte, FDP:
Alternativen sollten immer denkbar sein. Wer aufhört in Alternativen zu denken, macht es sich zu leicht. Leider sind die bisherigen Erfahrungen mit Wirtschafts- und Gesellschaftsmodellen, die nicht auf den Prinzipien (politisch) von parlamentarischer Demokratie und (wirtschaftlich) von Markt und Wettbewerb beruhen, wenig ermutigend. Die Menschen in der DDR und in den osteuropäischen früheren Satellitenstaaten Russlands hatten ihre guten Gründe, sich von den ihnen ab 1945 aufgezwungenen „Alternativen“ abzuwenden. In Nordkorea warten Millionen hungernder und de facto eingesperrter Menschen bis heute noch auf ihre Chance.
Repräsentative parlamentarische Demokratie und Soziale Marktwirtschaft, wie wir sie kennen, mögen ihre Schwächen und Unzulänglichkeiten haben. Bis dato praktisch denkbare wirtschafts- und gesellschaftspolitische Alternativen versprechen jedoch keine Verbesserung - im Gegenteil. Im Übrigen ist „Effizienzsteigerung als Maß wirtschaftlichen Handelns“ in keiner Weise an ein bestimmtes Wirtschaftssystem gebunden. Auch in einer Planwirtschaft ist diese Art der Effizienzsteigerung immer das Ziel; anders als in einem Marktsystem wird die Effizienz aber meist nicht erreicht. Das schlägt dann auf den Lebensstandard durch, und zwar nicht nur in der materiellen Güterversorgung (hier würde der Asket sagen: macht doch nichts), sondern auch bei der Gesundheitsversorgung und im Umwelt- und Ressourcenschutz (wie das Beispiel DDR zeigt). Schließlich: Nachhaltiges Wirtschaften und Marktwirtschaft sind weniger ein Gegensatz, sondern mehr wechselseitige Bedingungen. So ist beispielsweise die Überfischung der Meere nicht ein Problem von zu wenig Marktwirtschaft, sondern von fehlender Marktwirtschaft. Es gibt an den Fischbeständen der Meere keine Eigentumsrechte. Niemand fühlt sich verantwortlich. Also nimmt jeder, was er kriegen kann.
Markt und Wettbewerb sind ein interdependentes System, das einem ökologischen System nicht unähnlich ist. Wer meint, in ein ökologisches System an einer Stelle eingreifen zu können ohne das an anderer Stelle etwas unbeabsichtigtes, unerwünschtes passiert, macht den gleichen Fehler wie jemand der meint, in einem Marktsystem eben mal etwas Unerwünschtes „abstellen“ zu müssen - nur um festzustellen, dass er sich damit an anderer Stelle nur ein neues Problem eingehandelt hat.

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TIPP:
www.abgeordnetenwatch.de
Abstimmungsverhalten von Abgeordneten einsehen und öffentlich Fragen stellen